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Osterbrief 2022 des Präses

Der Präses



Düsseldorf, 13. April 2022
 


Liebe Schwestern und Brüder,
 
dieses Jahr fällt die Kar- und Osterwoche in eine besondere Zeit. Es ist Frühling, die Blumen blühen. Zugleich herrscht Krieg in der Ukraine. Täglich müssen Menschen aus ihrer Heimat fliehen. Zivilisten werden grausam getötet. Wir erleben in Europa die größte Flüchtlings­bewegung seit 1945 und einen Krieg, den so kaum einer mehr für möglich gehalten hätte.
 
Was heißt es, in dieser Zeit Kar- und Osterwoche zu feiern?
 
An Gründonnerstag gedenken wir der Einsetzung des Abendmahls: „Unser Herr Jesus Christus, in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte, gab’s seinen Jüngern und sprach …“. Der Tisch unseres Herrn ist das Gegenbild zu den Tischen der Gewaltherrscher dieser Welt. Jesus isst mit allen, die zu ihm kommen, bis zuletzt. Er wird verraten, verleugnet. Und er begegnet dem, indem er sich selber hingibt, Gemeinschaft stiftet, Vergebung lebt. An Karfreitag wird Jesus Christus selbst Opfer der römischen Gewaltherrschaft. Hingerichtet als „König der Juden“. Vorher gegeißelt, verspottet, entkleidet. Ausgestellt im Sterben und seiner letzten Würde beraubt. Schon damals hatte die Gewalt System. Die Bekenntnisse des Pilatus bzw. des römischen Hauptmanns gewinnen von daher ihre ganz eigene, paradoxe Kraft: „Seht, welch ein Mensch!“ und „Wahrlich, dieser Mensch ist Gottes Sohn gewesen!“
 
An Ostern schließlich feiern wir, dass Gott in Jesus Christus neues Leben schafft. Gott stellt sich auf die Seite der Opfer, lässt Tod und Gewalt nicht das letzte Wort. Und an Ostern ersteht mit Jesus Christus auch der „wahre Frieden“, den er gepredigt und gelebt hat:
„Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden.
Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen. […]
Selig sind, die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“
Ostern feiern wir den Sieg der Liebe Christi über den Hass der Welt.

Diesen Frieden Christi sprechen wir einander am Anfang und Ende jeder Predigt zu. Dieser Oster-Frieden ist es zugleich, aus dem wir als Christinnen und Christen leben.
 
Es ist notwendig, jetzt die menschenverachtende, völkerrechtswidrige Gewalt zu beenden, wie sie seit Wochen von der russischen Regierung ausgeht. Dazu können neben Sanktionen auch Waffen helfen. Doch Waffen schaffen noch keinen Frieden. Sie hemmen nur schlimmere Gewalt, können eindämmen, verhüten.
 
Um „wahren Frieden“ zu stiften, braucht es jedoch Menschen, die aus dem Geist Christi leben. Menschen, die Versöhnung wagen, Gerechtigkeit suchen, Hoffnung stiften, Liebe leben, Leiden tragen, Wunden heilen.
 
Ich danke Ihnen allen, die Sie sich in diesem Sinne von dem Oster-Frieden Christi leiten lassen. Danke allen, die sich für die geflüchteten Menschen engagieren, die spenden, die für den Frieden beten, arbeiten, demonstrieren, die einem neuen Feinddenken wehren und Diskriminierungen entgegentreten. In den letzten Wochen konnte ich viele beeindruckende Beispiele dafür in der Ukraine, in Ungarn wie in unseren Gemeinden und Einrichtungen kennenlernen. Für mich ist darin etwas von der Kraft des Auferstandenen spürbar geworden.
 
Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien ein gesegnetes und behütetes Osterfest. Möge der Oster-Frieden Ihre Herzen erfüllen.
 
In Christus ist der Frieden mit auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden.
 
„Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft,
der bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus!“ (Phil 4,7)
 
Herzlich, Ihr

 
 
Dr. Thorsten Latzel
Präses